Sonntag, 14. September 2014

Himmlisches Rauschen

Jeder der schon mal am Meer war, liebt es: das Meeresrauschen.

In diesem Urlaub wohnten wir nur ca. 150m vom Strand entfernt.  Von einer gut gelegenen Terasse der Wohnung hatten ich einen wunderbaren Blick auf's Meer. Sah wie die Wellen der Brandung hereinbrachen.  Aber das wichtigste: Ich hörte sie.

Ich hörte sie ständig: beim Frühstücken, beim Zähneputzen, beim Weg zum Auto, beim Würfelspielen, beim Sonnenuntergang, wenn der Mond am Abendhimmel stand, wenn ich im Bett lag. Ein Rauschen das alles durchdrang. Eine Melodie des Meeres die mich ständig begleitete. Aber wird man dieser Dauerbeschallung nicht irgendwann überdrüssig? Nein, im Gegenteil:  Es ist himmlisch. Ich bin süchtig danach. Das wurde mir aber erst heute so richtig klar.

Als ich gestern am Meer war, erlebte ich eine Überraschung. Nachdem ich den ganzen Tag jenseits vom Strand unterwegs war, staunte ich nicht schlecht. Stille! Es herrschte Stille am Strand. Besser gesagt, das Meer schwieg und breitete sich fast spiegelglatt vor meinen Augen aus. Wie konnte das Meer nur eine Pause machen? Interessant! Wenn ich etwas herausschwamm, konnte ich ohne Probleme 4-5m auf den Boden blicken. Das Wasser war unglaublich klar. Man bekam das merkwürdige Gefühl über diesem endlosen Meersboden zu schweben. Das Schwimmen ohne Wellen ging wie von selbst. Die Sonne brach sich im Wasser, glitzerte, funkelte und ließ alles noch unwirklicher erscheinen.

Aber das Schweigen des Meeres hatte auch eine unerwartete Kehrseite. Jedes von Menschen gemachte Geräusch erschien plötzlich doppelt so laut. Schreiende Kinder, Gespräche, Rufe, Handys, das Klack Klack der Beachballschläger, eine Vielfalt von Geräuschen in überraschender Lautstärke breitete sich am Strand aus.

Das setzte sich in der Wohnung fort. Rechts von der Terasse liegt eine Bar mit einer permanten Musikberieselung.  Bisher störte das nur wenig. Aber nach der 3. Stunde Psychedelic Rock änderte sich das. Auf unserer Meeresblickterasse waren wir von der Nachbarwohnung nur durch eine dünne Wand getrennt. Man sah sich nicht, aber hören war um so einfacher.  Bisher kein Problem, nun konnte man jedem Gespräch problemlos folgen, ob man wollte oder nicht. Jedes Rücken der Stühle, das Klappen der Terassentür drang herüber. Als ich abends im Bett lag, fiel mir plötzlich auf, daß unser Kühlschrank alle 20 min anging. Ich wälzte mich schlaflos hin und her, döste und vermißte dieses Rauschen, daß mich umhüllte und alles andere in die Ferne rückte.

Als ich den nächsten Morgen auf das Meer schaute, war die Stille schon nicht mehr so perfekt. Es gab schon wieder leichte Wellen. Das Wasser kräuselte sich. Das gab mir Hoffnung. Vormittags zogen dicke Wolken heran und es fing an zu gewittern. Und die Wellen rauschten wieder. Nicht lange und sie donnerten sogar. Mit dem Schwimmen im Meer war es die nächsten Stunden vorbei. Aber wieder der wilden Kraft der Wellen zuhören zu können, zu sehen, wie sie sich am Strand schäumend brachen, der Regen auf das Wasser peitschte, Blitze mit ihrem Grollen sozusagen die zweite Stimme dazu sangen, war schlicht beeindruckend.

Gegen Abend kam die Sonne wieder raus. Wir konnten uns in die Wellen werfen oder uns von ihrer Kraft schaukeln lassen.

Es wurde dunkel. Und immer noch rauschten die Wellen, ohne Pause donnerten sie wieder an den Strand. Herrlich! Ich saß am Abend im Bett und mir wurde klar, daß dieses Rauschen sogar bis in die Gedanken dringt. Die Wogen des Geistes werden geglättet. Was mache ich morgen? Wie war es heute? Gab es Probleme? Der Strom der Gedanken verlangsamt sich. Wird leiser, unbedeutender. So versöhnt uns das Meer mit unseren Zweifeln. Ein wunderbares Gefühl! Schade nur, daß ich so schnell dabei einschlafe.

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